Kampfkunst 2
Kunst muss über das technische Können hinaus vor allem drei Kriterien erfüllen:
1. Vollständigkeit
2. Originalität
3. Bewusstheit
Was meine ich mit diesen Begriffen?
1. Vollständigkeit, Ganzheit:
Kunst verlangt den ganzen Menschen (wer bin ich). Ein Kunstwerk entsteht erst, wenn der Künstler aus ganzem Herzen spricht, der Adressat sich im Herzen angesprochen fühlt. Ein Kunstwerk, das Menschen nicht anspricht, bleibt bedeutungslos. Dazu muss der Künstler jedoch sich als ganzen Menschen investieren. Im Westen sagt man mit Körper, Geist und Seele, im Shinson Hapkido ist bewegt man immer Ki (Energie), als Chong(Körper)-, Saeng (Atem)- und Shin(Geist)-Ki bewegt, hier ist die Einheit vielleicht noch deutlicher ausgedrückt.
Nur so nutzt er die Möglichkeiten, die seine Techniken bieten, um den ganzen Menschen an seinem Schaffen und seiner Idee zu beteiligen. Dies betrifft jede Kunst unabhängig vom Medium. Ich denke an dieser Stelle nicht nur an klassische Vorführungen, bildende Kunst oder Musik, sondern auch an Training als eine Form, in der sich Künstler (Lehrer) und Publikum (Schüler) in einer besonders engen Gemeinschaft treffen und die Grenzen der verschiedenen Rollen aufheben. Das Medium funktioniert dabei wie eine Tür, die sich vom inneren Erleben des Künstlers zum Publikum hin öffnet und, im idealen Fall, hin und her schwingen kann. Ein Shinson Hapkido Training kann ein solcher idealer Fall sein.
2. Originalität
Aus der Ganzheit ergibt sich die Originalität. In seiner Entstehung ist jedes Leben etwas Einmaliges und Originales Jedes Werk ist etwas Gemachtes, Hergestelltes und doch gleichzeitig etwas Lebendiges. Es wird neu geboren und stellt seinen (Geburts-)Prozess durch sich selbst dar. Zwar verschiebt technische Reproduzierbarkeit von Kunstwerken das Gewicht der Kreativität hin zum Betrachter, doch das Kunstwerk stiftet eine Einheit von Künstler und Publikum, die im medialen Charakter begründet liegt. Wenn ich tue, kommuniziere ich. Es ändern sich beide: Der, der tut, der der wahrnimmt. Die Einmaligkeit eines Trainings stellt eine ganze besondere Balance zwischen Lehrer und Schüler dar. Dies liegt im Zeitbezug eines Trainings: Ebenso wie ein Live- Konzert funktioniert es nur in der gegenwärtigen Situation. In der Erinnerung verändert es sich, in der Erwartung bleibt es unbestimmt und wird ein Erlebnis eines einzelnen. Das Wesen eines Trainings ist aber die Gemeinschaft, sonst kann man nicht von Training sprechen. Auch wenn ich allein trainiere, so hat die Umgebung Einfluss auf mein Tun. Dies trifft im Besonderen auch für die Kampfsituation zu. Für den Freikampf darf es keine Erwartung geben, erwarte ich Sieg oder Niederlage, bin ich nicht mehr frei. (Oft genug Grund für „Niederlagen“). Dies heißt nicht, dass Vergangenheit und Zukunft negiert werden. Ich muss ergründen, woher ich komme, wohin ich gehe. Doch Erwartung darf eine (Kampf-, Trainings-) Situation nicht bestimmen, sonst werden nur alte Ängste, unbewusste Wünsche oder vorhandene Machtgefüge verfestigt. Die Erkenntnis der Einmaligkeit dieser Situation aber öffnet für alle beteiligten neue Optionen. Kampfkunsttrainer tragen aber häufig Gewalterlebnisse in sich und reproduzieren Machtverhältnisse. Als solche möchte ich sie aber nicht Künstler nennen.
3. Bewusstheit:
Durch das Erkennen meiner Situation wachse ich nun über die erlebte Gegenwart hinaus. Wir hatten oben schon das Verhältnis von Vergangenheit und Zukunft erörtert Im Training gibt es zum Beispiel oft Situationen, da Angst machen. Oft rührt diese Angst aber nicht aus der Situation selbst, sondern aus Vergangenem und Verdrängtem. Wenn ich dies erkenne, kann ich diese Angst in der Gegenwart bearbeiten. Dies wird mein Verhalten in der Zukunft verändern. Habe ich mir aber diesen Vorgang einmal zunutze gemacht, kann ich auch in Zukunft damit umgehen,, ja, meinen Ausdruck und mein Handeln so gestalten, dass dies auch für andere Menschen erlebbar und nutzbar wird. Im o.a. Fall scheint dies eine therapeutische Situation zu sein. Doch diesen Prozess der Selbsterkenntnis in der Herstellung eines Kunstwerks kennt jeder Künstler, und dies erkennen auch viele Betrachter. Warum dies so ist, muss an anderer Stelle behandelt werden. Jeder kreative Prozess, (für mich auch jedes Training), ist ein umfassender und einmaliger Akt des Erkennens. Zu sich selbst zurückweisend ein Akt der Selbsterkenntnis, aufgrund des medialen Charakters aber auch ein Akt, der die Umgebung und andere Menschen mit einbezieht.
Somit ist ein Training oder auch das Training einzelner Bestandteile wie z.B. Formlauf eine bewusste, einmalige und vollständige Kommunikation. Jedes Training fordert den ganzen Menschen findet in einer einmaligen Situation statt und entwickelt das Bewusstsein aller Beteiligten.
(So viel an dieser Stelle, in einer Fortsetzung möchte ich meine Gedankengänge weiter begründe.)
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